PTFE – Flexibilität ohne Grenzen
Eine neue Alternative zu Schmuck aus Titan oder Chirurgenstahl ist das Material PTFE (Polytetraflourethylen). Es handelt sich dabei um einen flexiblen Kunststoff (auch unter dem Handelsnamen „Teflon®“), der auch in der Medizin als Implantatmaterial eingesetzt wird.
Fälschlicherweise wird PTFE auch unter dem Namen Bioflex oder Bioplast vertrieben.
Durch die unzähligen – mehr oder weniger vertrauenswürdigen – Shops und Foren, die sich hier im World Wide Web breit gemacht haben, herrscht oft Verwirrung was, wo, wie eingesetzt wird, und wann es sinnvoll ist.
PTFE als Ersteinsatz
Es eignet sich aufgrund seiner Flexibilität besonders als Ersteinsatz an Körperstellen, die viel in Bewegung sind (z.B. Bauchnabel), da es dort den Druck auf das Gewebe vermindert, was wiederum das Rauswachsen verhindern kann.
Bei einem Knorpelpiercing, wie dem Industrial, arbeitet der Knorpel während des Abheilungsprozesses, und es kommt zu Spannungs- und Druckaufbau im Gewebe.
PTFE ist bioflexibel, das heißt es passt sich den Bewegungen an, und verhindert den heilungsverzögernden Druck auf den Knorpel.
Durch seine molekulare Struktur hat PTFE einen geringen Reibungskoeffizienten. Bedeutet, dass die Haftreibung gleich der Gleitreibung ist, was uns den selben Effekt wie nasse Glasplatte auf nasser Glasplatte beschert.
Übergänge von Bewegung zur Ruhelage, und andersrum, finden also ohne Rucken statt. Dadurch hat es einen entscheidenden Vorteil bei der Abheilung gegenüber Titan, das trotz aufwändiger Politurverfahren nie 100% glatt wird.
An PTFE finden, durch die sehr geringe Oberflächenspannung, getrocknete Körperflüssigkeiten (wie Lymphflüssigkeit und Blut) kaum Haftung.
Das lockt weniger Erreger an und verhindert das Einziehen von Verkrustungen in den Stichkanal: Die Abheilung des Piercings verläuft dadurch meist schneller und unproblematischer.
Außerdem ist bei Titanschmuck, aufgrund der vorherigen Schwellung und des daraus resultierenden „zu langen“ Piercings, meist ein Schmuckwechsel nötig.
Das heißt, dass der Schmuck wieder aus dem Stichkanal entfernt werden und ein neues Schmuckstück eingesetzt werden muss, wobei die Gefahr besteht den Stichkanal zu reizen.
PTFE kann in der Regel beim Kürzen, und über die ganze Abheilzeit (und auch danach) im Stichkanal verbleiben.
PTFE im Winter
In der kalten Jahreszeit kann es vorkommen, dass gerade größere oder nah beieinander liegende Piercings (z.B. Industrial, Spider Bites) sehr kalt werden, was zu Schmerzen und im schlimmsten Fall sogar zu Erfrierungen führen kann.
Hier schafft wiederum PTFE Abhilfe.
Es leitet nämlich, im Gegensatz zu Metallen, Temperaturen nicht in den Körper.
PTFE im Mundraum
Besonders Träger/innen von Lippenpiercings wie Madonna (Monroe), Medusa, oder das klassische Labret Piercing sollten ein Augenmerk auf PTFE richten.
Bei Piercings im Mundraum ist PTFE empfehlenswert, da im Gegensatz zu Titan, keine Schäden an den Zähnen entstehen, da es schlichtweg „weicher“ ist. Dadurch schont PTFE auch das Zahnfleisch.
Jedem, der ein Zungenpiercing trägt und sich schon einmal versehentlich auf den harten Stab (Barbell) gebissen hat, ist schmerzhaft bewusst geworden wie gefährlich Metallstäbe im Mundraum sind.
Der beste Zungenpiercingschmuck ist also ein PTFE-Stab mit Acryl- bzw. Titankugeln. Meist wird nach der Heilung wegen der, im Zungenpiercing unerwünschten, Flexibilität ein Metallbarbell eingesetzt. Jedoch sollten dann zumindest die Kugeln aus einem Kunststoff wie Acryl/PFTE sein, um die Zähne zu schonen.
PTFE bei Operationen und Röntgen
Jeder gute Arzt weist seinen Patienten vor einer OP darauf hin, dass alle Metallgegenstände bei Operationen entfernt werden müssen.
Das schließt natürlich auch sämtliche Piercings mit ein.
Dadurch kann es leider passieren, dass man nach der OP den Schmuck nicht mehr in den Stichkanal bekommt.
Auch hier kommt PTFE zum Einsatz: Es kann während Operationen als Platzhalter verwendet werden. Ärzte, die PTFE als Implantatmaterial kennen, bzw. wissen, dass es auch beim Einsatz eines Defibrillators völlig ungefährlich ist, werden dies meist tolerieren.
Zudem stört PTFE nicht beim Röntgen, da es auf den späteren Aufnahmen nicht zu sehen sein wird.
PTFE in der Schwangerschaft
In der Schwangerschaft haben Piercings aus PTFE den Vorteil, dass sie mit dem Bauch „mitwachsen“, und auch in sehr langen Stabgrößen erhältlich sind.
Das heißt ihr müsst auch während der Schwangerschaft nicht auf euer Piercing verzichten.
Ein weiterer Grund für PTFE ist, dass es nicht (wie z.B. Nickel) zu allergischen Reaktionen führen, die den Abheilungsprozess verlangsamen und eine Bedrohung für euer Kind darstellen können.
PTFE als Retainer
Wenn ein Piercing aufgrund des Berufs oder einer Familienfeier einmal schnell versteckt werden soll, eignet sich das, in der Urform transparent weiße, Material sehr gut.
Kleines Beispiel: Ein Labret-Stud aus PTFE ohne Gewinde macht ein Lippenpiercing nahezu unsichtbar
PTFE kann auf jede Länge zugeschnitten und in viele Formen gebogen werden, es lassen sich also so gut wie alle Piercings durch PTFE ersetzen.
Außerdem ist es extrem Hitzebeständig und somit autoklavierbar (dampfsterilisierbar).
PTFE im Detail
PTFE gehört zu den thermoplastischen Polymeren und besteht aus Fluor- und Kohlestoffketten. Es zeichnet sich, neben einer unglaublichen Flexibilität und Belastbarkeit, auch durch eine sehr hohe Materialdichte aus. Das bedeutet, dass PTFE durch die festen Bindungen zwischen den Kohlenstoff- und Fluratomen sehr reaktionsträge ist.
Deswegen gelingt es sogar Substanzen wie Benzinen, Alkoholen, Basen, Ölen oder Ketonen nicht diese Bindungen aufzulösen.
Allein Lösungen von Alkalimetallen (wie z.B. Lithium) in liquiden Ammoniak oder Oxidationsmitteln (wie elementares Fluor) gelingt es auch nur bei hohen Temperaturen diese Bindungen zu lösen.
Wie bereits erwähnt, ist es trotzdem extrem hitzebeständig. Der Schmelzpunkt liegt bei 327°C.